Walzern in die Symbiose
Gut - ich traue mich jetzt mal, eine Geschichte einzustellen... mal lieber erst in die Werkstatt - aber bitte haltet euch deswegen nicht mit Kritik zurück :-)Walzern in die Symbiose
Wir haben uns für das erste Treffen in einer kleinen Bar verabredet, die ich gut kenne und die mir für ein erstes Rendevouz geeignet erscheint: gedimmtes Licht, rustikales Holz.
Noch während ich mich suchend umsehe, öffnete sich die Schwingtür, und er steht am Eingang.
Unsere Blicke treffen sich, und wir lächelten beide.
Schon ab diesem Moment hatte ich meine Gesichtzüge nicht mehr im Griff.
Ich schwöre, dass ich lächelte, noch bevor ich recht die Züge seines Gesichts erfassen kann.
Die Luft zwischen uns flirrt und funkelt.
Gaben wir uns die Hand? Ich weiss es nicht mehr.
Wir setzen uns an einen der kleineren Tische einander gegenüber, und er fängt sofort an, zu reden – nahtlos an das Telefongespräch anknüpfend, das wir ein paar Tage zuvor geführt haben.
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mich auch nur an einen Satz erinnere.
Ich sitze und schaue und staune.
Ich sehe einen jungen Mann, von dem ich weiss, dass er Anfang 40 ist, der aber jünger wirkt.
Eine zartgliedrige Erscheinung mit heller Haut, irisierend grünen Augen und blonden feingelockten Haaren – die in ihrer Ungebändigtheit im starken Kontrast zur restlichen Erscheinung stehen: himmelblaues Hemd, ordentlich gebügelt und zugeknöpft bis zum Hals. Darunter ein dezentes weisses T-Shirt, das nicht den kleinsten Einblick auf ein wenig Haut zuliess.
Dazu eine Bundfaltenhose und sportliche Lederturnschuhe.
Letzteres ein Stilbruch, aber alles in allem sieht er aus wie Peter Pan auf dem Weg zur Tanzstunde.
Während er mir erzählt, wie er aufgewachsen war, und die enge Beziehung zu seiner Schwester erwähnte, betrachtete ich staunend seine Gesichtszüge.
Seine etwas schiefe Nase, die aussah, als sei sie einmal gebrochen und nicht mehr gerade zusammengewachsen – was er mir später bestätigen sollte.
Ich sehe einen verletzlichen, verletzten Jungen mit hellen langen Wimpern und schmalem Mund, der von Zurückhaltung, Pragmatismus und Bescheidenheit spricht.
Erster Eindruck: jungenhaft harmlos, lebt in seiner eigenen kleinen Welt, braucht dringend Bestätigung. Er ist es nicht gewöhnt, so schnell auf eine so persönliche Ebene zu gehen.
Dennoch redet er ohne Punkt und Komma, und ich höre nicht mal die Hälfte von dem, was er sagt.
Er ist hübsch, aber er ist nicht mal mein Typ.
Ich glaube kaum, nein, ich weiss, dass wir nicht viel gemeinsam haben.
Aber es hilft alles nix, ich krieg das verdammte Dauergrinsen nicht vom Gesicht, und er auch nicht. Ich bin schockiert über die Intensität meiner Empfindungen, über dieses endlose Sehnen tief in meinem Bauch, was sein Anblick in mir auslöst.
Hilfe! Ich habe Fluchtgedanken. Ich wehre mich dagegen, derart die Kontrolle zu verlieren.
Das ist nicht romantisch – das ist pure Chemie.
Er weckt die schlafende Wölfin in mir, sie ist hungrig, sie will Fleisch.
Wir sitzen uns gegenüber und grinsen uns an wie zwei Teenager mit Zahnspangen.
In kleinen Gesprächspausen beobachte ich ihn, nicht in der Lage, zu antworten. Er bemerkt meine Verwirrung und läßt neckisch seine rechte Augenbraue hochschnellen.
Ein Tick? Nein, er weiss schon genau, dass diese Geste ihm einen fast verwegenen Ausdruck verleiht, und dummerweise reagiere ich darauf, es ist fast wie eine vorweggenommene Berührung.
Und das mir! Ich kann es nicht fassen.
Ich kann ihm kaum zuhören, so hormonverwirrt bin ich.
Wenn ich ihm zuhören würde, das weiss ich genau, wenn ich jedes seine Worte hören und auch aufnehmen könnte, wäre ich wahrscheinlich reichlich ernüchtert und garnicht fasziniert.
Das ist mir die ganze Zeit wohl bewusst, aber ich kann das Synapsenfeuerwerk, das er in mir auslöst, weder steuern noch herunterregeln.
Während er von seiner Arbeit erzählt, versuche ich, zu verstehen, wieso meine Sinne reagieren, als sei ich auf Extasy. Ich finde keine zufriedenstellende Erklärung.
Ich bin in Aufruhr. Ich sehe mich mit ihm tanzen, ich will meine Hände auf seine Körpermitte, seinen Bauch, auf seine Hüften legen.
Mich mit ihm zusammen bewegen zur Musik, zu vorgebenen Schritten seinen Körper an meinem spüren. Rituell, nicht zu nah.
Ich will - die Spannung zwischen uns in kontrollierter Distanz halten, die nicht überschritten wird.
Nach zwei Stunden sagt er, er habe Hunger.
Die Keipe hat auch ein Restaurant ein Stockwerk tiefer, und so ziehen wir nach unten um. Er sucht uns ein lauschiges Eckchen aus, wir nehmen Platz auf weichen Polstern.
Während wir auf das Essen warten, fällt die Anspannung etwas von mir ab, ich merke, dass ich erschöpft bin. Eine Überdosis Hormoncocktail ist durch meinen Körper gerauscht - ein wahres Neuronengewitter mit abschliessender Überschwemmung.
Nach dem Essen trinken wir noch einen Espresso, die Unterhaltung plätschert dahin.
Ich merke, dass ich nichts mehr aufnehmen kann und will.
Wegen Überfüllung geschlossen. Rien ne vas plus.
Schliesslich nehmen wir unsere Mäntel und gehen nach draussen.
Wir stehen uns gegenüber und ich schaue zu ihm hoch: wie werden wir uns verabschieden? Wer macht den ersten Schritt, die erste Bewegung?
Dann streckt er streckt mir seine Rechte hin, und ich nehme sie automatisch, schaue verwundert hoch in sein Gesicht, sehe die Verunsicherung.
Ich lehne mich vor und berühre leicht mit meinen Lippen seine Wangen, einmal links, einmal rechts - ein kleines Zugeständnis: ja, das war besonders ... elektrisch.
Er sagt noch sowas wie: Tschüss, komm gut nachhause. Ich fahre mit dem Fahhrad an ihm vorbei, winke ihm zu: Bis bald.
Und genau so meine ich das auch:
Bis ganz bald.