Suche im Netz und sowieso ... (Teil 1)
(...)Vor der Geschichte mit Maria versuchte ich immermal wieder mein Glück im Internet, um dort auf Brautschau
zu gehen. Auf die Jagd gehen, trifft es wahrscheinlich
besser. Unterm Strich war meine Ausbeute nicht gerade
berauschend. Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern,
im Web was von Bedeutung aufgetan zu haben. Außer das dabei
eine Menge Zeit verloren ging, und ich den Speicherplatz
meines Rechners mit Hunderten von – anfangs noch, vielversprechenden
Weibs – Bildern vollstopfte, kam – bis auf ein paar unspektakuläre
Ficks, nichts weiter zustande. Der Aufwand meiner Internet-Rekrutierungen
stand ebenso – wie bei Anne, in keinem gesunden Verhältnis
zur Ausbeute. Wenn ich an den ganzen Streß zurückdenke...
die aufwendige Schreiberei, der obligatorische Bildertausch,
das Abchecken am Telefon, die blöden Verkaufsgespräche,
um mich - wie Sauerbier, anzubieten; der vermaledeite
Leistungsdruck war nicht mein Ding. Dabei schien mir –
anfangs, gerade das Internet die Lösung all meiner Probleme
zu sein; so eine Art Katalog, um mich aus der größten Fleischtheke
der Welt bedienen zu können - am Arsch. Klar... alle Zeit
der Welt zu haben, um in Ruhe filtern zu können, wer von den
Damen bitteschön in Frage kommen könnte, um mit ihr ein
aufregendes Abenteuer zu erleben, hatte und hat durchaus
seine Qualitäten. Theoretisch. Wenn man sich beim Surfen
im Netz mit seinem Laptop auf der Couch herumlümmeln kann,
ein kaltes Bier vor einem steht, die Lieblingsmusik dudelt
dabei rauf und wieder herunter, oder... von mir aus flimmert
der Kasten vor sich hin; diese unbeschreibliche Gelassenheit
in jeder Aktion; all das erschien mir geradezu als ein paradiesischer
Zustand; nicht zu vergessen die Anonymität, in der ich
mich bewegte, und hinter der ich mich verstecken konnte.
Zugegeben, die Anonymität war ein Knackpunkt. Die anderen
verschanzten sich auch recht geschickt dahinter. Sicher
konnte ich mir nie sein, ob ich gerade meine Lebenszeit
mit einer Frau im Chat verplempere, oder ob ich mich mit
einem kranken Typ auseinandersetze, der sich auf meine
Schreibe einen runterholt. Und wenn tatsächlich eine
Frau am anderen Ende der Welt hinter der Tastatur saß, blieb
immer noch völlig ungewiß, ob sie irgendwas mit dem Bild
zu tun haben könnte, das sie mir entweder per Mail schickte,
oder in ihrem Profil zur Schau stellte. Das Netz ist voll
von Schaustellern; das Internet als Rummelplatz, und
alle fahren Geisterbahn. Selbst wenn das Bild mit einer
real existierenden Person weiblichen Geschlechts übereinstimmte,
wußte ich tatsächlich nichts über diese. Nicht wie sie
sich bewegt, nicht wie sich ihre Stimme anhört, nichts
über ihre abgekauten Fingernägel, nichts über ihre vier
Kinder, die zwei Hunde, die drei Katzen, und auch nichts
über das verfettete Meerschweinchen namens Burzel, das
nicht mehr lange zu leben hat. Zum Beispiel hätte es mich
interessiert, warum sie der andere nicht mehr wollte.
Wo ist der Haken? Ständig war ich auf der Suche nach dem Haken;
erst recht bei der Masse an aufreizenden Aktbildern in
den Suchprofilen der Damen. Warum legt sich so eine in die
Fleischtheke? Fishing for Compliments? Bis man sich dann
endlich in einem Café traf, um – längst fällig, Nägel mit
Köpfen zu machen, vergingen nicht selten Tage, Wochen,
Monate. Zeit. Viel Zeit. Ursprünglich wollte ich mir die
eigentlich sparen; das war der Plan. Für mich brachte das
Internet jedenfalls nichts von dem, was ich mir erhoffte.
Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß es im Prinzip
ein funktionierendes Medium ist, um sich was fürs Bett
zu erlegen; von mir aus auch für guten Sex. Kommt nur drauf
an, was man darunter versteht. Ich verstand nicht viel
von gutem Sex. In puncto Sex stützten sich meine Erfahrungen
mehr auf schlechten Sex; dabei ist völlig egal, ob ich damals
überhaupt in der Lage gewesen wäre, das eine vom anderen
zu unterscheiden. Paradoxerweise empfand ich den Sex
• unterm Strich, stets dann als mies, wenn er für die Frauen
gut zu sein schien. Aus heutiger Sicht ist dieses Phänomen
nicht weiter verwunderlich. Während sich die Damen zurücklehnten,
um zu genießen, machte ich einen auf deutsches Handwerk.
Ich wollte unbedingt gut sein. War ich auch. Zu gut. Was
meine eigene Sexualität betraf, dafür war gar kein Raum;
geschweige denn Zeit, wenn’s als ONS passierte. Selbst
wenn... mehr als Vermutungen und Vorahnungen – was meine
männliche Lust betraf, hatte ich sowieso nicht. Ungleich
besser kannte ich mich da mit den Wünschen und Sehnsüchten
der Frau - an sich, aus. Vermutlich erhoffte ich mir vom
Internet, daß ich an diesem unwirklichen Ort auf Frauen
treffe, die mich endlich auf links drehen würden. Ich suchte
nach weiblichen Wesen, die mir bei der Suche nach meiner
Sexualität behilflich sein sollten, und mich nach Kräften
unterstützen; fördern durch fordern, sozusagen. Im Prinzip
hatte ich gute Karten, um das Spiel zu machen. Ich war Single,
hatte relativ viel Zeit, und ich war verdammt neugierig.
Praktisch hätte ich tun und lassen können, was ich wollte;
für mein Tun war ich niemandem in irgendeiner weise Rechenschaft
schuldig. Schuld. Schuldig und Schuld... Aus dem Blickwinkel
der Krebsprofilaxe betrachtet, war diese Zeit im Web –
als Single versteht sich, ein Segen; die gute alte lügenfreie
Zeit; die Selbstlüge ausgeklammert, versteht sich. Aber
gerade diese braucht man – wie es scheint, um erst gar keinen
Krebs zu kriegen. Kriegen? Oder zu bekommen? Kriegen.
Kommt von Krieg. Permanent steht man mit sich auf Kriegsfuß...
Lebt man dagegen in einer Beziehung, und flirtet auf Teufel
komm raus im Internet herum, werden Lügen nicht ausbleiben.
Die sind quasi vorprogrammiert. Es sei denn der Partner
hat nicht die geringste Ahnung von Computern. Dieser Zustand
wäre dann - für mindestens einen von beiden, von Vorteil.
Dabei könnte man gerade in einer Beziehung alles haben.
Mein Ideal sieht jedenfalls so aus; guter Sex, Erotik und
Abenteuer - Plural, und das alles in einer Beziehung. Das
Einzige was sich beim Flirt im Internet abenteuerlich
gestalten wird, werden die Lügen sein, um einen Seitensprung
damit zu vertuschen. Selbst wenn’s letztendlich zu keinem
körperlichen Kontakt als solchen kommt, der emotionale
Sidestep wird oft hinterfotziger und betrügerischer
ausfallen. Was man heutzutage im Netz als Flirt erlebt,
ist nichts anderes als die kultivierte Form treu fremd
zu gehen. Während man den hemmungslosesten Cybersex hat,
kann man treu bleiben. Ist doch völlig harmlos mit einem
Cybermann, bzw. einer Cyberfrau stundenlang, über Tage
und Wochen, übers Ficken zu schreiben. Hin und her. Das
nennt sich dann erotischer Gedankenaustausch, und wird
im Bewußtsein unter der Rubrik Fantasie abgespeichert.
Macht ja auch Spaß. Durchaus. Nur... warum dann nicht –
zwischendurch, mal mit der eigenen Frau, oder dem eigenen
Mann drüber quatschen? Klar... Internet ist ja kein Fremdgehen.
Freizeitgestaltung. Wenn man den Beziehungspartner
liebt, will man ihn keinesfalls mit den eigenen sexuellen
Wünschen und Vorstellungen behelligen, überfordern
und enttäuschen; das würde nur die Beziehung belasten.
Im Netz kannst du nicht wirklich jemanden enttäuschen,
vorausgesetzt du spielst mit offenen Karten; höchstens
enttäuscht werden, wenn du deine Erwartungen zu hoch geschraubt
hast. Da kann's dir schon mal passieren, das jemand
Fotze mit V schreibt. Oder Schwanz mit tz. Also mich zieht
eine Votze jedenfalls runter; bei mir geht dann meist nichts
mehr. Wie schon gesagt, aus einer Not - Lüge wird früher
oder später die Lüge. Und das alles nur, weil man zu bequem
oder zu ängstlich ist?! Zu bequem die nötigen Unterhaltungen
und Diskussionen zu führen, und zu ängstlich, weil eventuelle
Offenbarungen sexueller Wünsche eine Ablehnung zur Folge
haben könnten. Könnten... Der Witz ist nur, daß man sich
mittels Versteckspiel selbst ablehnt; erst Stück für
Stück, dann... Wenn man nicht aufpaßt, kann sich dieses
Strickmuster wie ein roter Faden durchs Leben ziehen.
Schau ich mir die offizielle Scheidungsrate an, ist eine
Trennung sowieso unvermeidlich – irgendwann; da mache
ich mir keine allzu großen Illusionen mehr. Heute versuche ich lieber mit der Ablehnung durch mein
Gegenüber zu leben, als mit der Selbstverleugnung. Besser
die Frau bekommt vorher – von mir persönlich, eine echte
Entscheidungsfreiheit an die Hand, ob ich - so wie ich bin
und mich zeige, überhaupt in ihr Konzept passe, vorausgesetzt
sie hat eins. Wenn ich so zurückblicke... in meinem bisherigen Leben
wollte ich – allen Ernstes, schon ganze vier Mal heiraten;
meine Schwärmerei für Mireille Mathieu nicht mitgerechnet,
da war ich immerhin erst zehn oder zwölf - und orientierungslos.
Die anderen Aussetzer... da muß ich einen verdammt guten
Schutzengel an meiner Seite gehabt haben. Vielleicht
war ich nicht verzweifelt genug, in Anbetracht der jeweiligen
Gesamtsituation. Wahrscheinlich traute ich mir selbst
nicht recht über den Weg; ich war ja nicht blöd. Ich wußte
um meine Schwierigkeiten, die beiden Aggregatzustände
Verliebtsein und Liebe, gebührend auseinander zu halten.
Verlieben kann man sich im Prinzip schnell mal, in was.
Aber lieben... Manchmal fühlen sich Männer bereits dann gesehen und geliebt,
wenn die Frau zärtlich über den verchromten Außenspiegel
seines Autos streichelt. Mit anderen Worten: wenn sie
sich verstanden fühlen, als Mann. Frauen haben Bedürfnisse Komma und Männer... sowieso.
Es geht ja auch lange gut, das mit den Bedürfnissen in Beziehungen,
solange sich alles ums Essen, Trinken, und Einkaufen dreht.
Da läßt sich’s bequem - ohne größeren Crash der Interessen,
auf einer Mann – Frau - Ebene schwätzen. Beim Thema Sex in
Beziehungen, bzw. in Liebesbeziehungen, wird das um einiges
schwieriger. Heikler. Im gemeinsamen Bett.... sobald
man ES nicht nur miteinander tut, sondern auch noch beginnt
darüber zu reden... puh; da könnte so einiges bedrohlich
ins Rutschen geraten. Es braucht selten mehr als ein richtiges
Wort am falschen Ort, um sich im Handumdrehen auf der Schwanz
– Möse - Ebene wiederzufinden, und das als Liebespaar.
Schwierig an diesem Punkt der Beziehung über Lust zu sprechen,
so von Mann zu Frau. Freundschaftlich sozusagen. Auf dem
Bauch liegend. Kichernd. Wie zwei Freunde auf Klassenfahrt,
in der Jugendherberge. Mit Glück hat das nix zu tun, ein Gegenüber gefunden zu haben,
das ähnlich denkt und fühlt, in Puncto Offenheit. Was ich
als Schattenspringen bezeichne, nennen andere vielleicht
Beziehungsarbeit; ein gräßliches Wort. Am Ende läuft
es dennoch aufs gleiche hinaus. Wenn Treue Spaß macht,
ist es Liebe; das ich nicht lache. Habe selten einen dümmeren
Spruch gelesen. Wenn Treue Spaß machen soll... braucht
es mehr als den guten alten Fick. Auch romantische Abende
mit Kerzenschein und leckerem Essen werden auf Dauer nichts
positives ausrichten. Man wird nur gemeinsam fett, aber
nicht alt und einigermaßen glücklich - miteinander. Eine bestimmte Qualität in einer Beziehung zu erreichen,
wo man sich mit dem Partner offen über sexuelle Wünsche
unterhalten kann – ohne drohende Repression/en, erfordert
selbstverständlich Mut. Manchmal auch Verzweiflung.
Wenn’s dumm läuft, wirst du als Mann auf deinen Schwanz
reduziert. In den Augen der Frau wirst du dann angeblich
mit nichts mehr zufrieden sein, und zu wahrer Liebe schlichtweg
nicht fähig. Es würde ja immer mehr werden, was Mann sich
wünscht. Natürlich ist das vollkommener Quatsch! Die
meisten Wünsche und Vorstellungen waren schon lange da,
wenn nicht schon immer. Selten hat das irgendwas mit ihr,
der aktuellen Frau zu tun. Mit der davor ebensowenig, wie
mit der anderen – der Neuen. Die Ursache liegt in den Wünschen
und Vorlieben, die – wie ich finde, in einer Beziehung un-angemessen,
geheim sind. Sie fristen ihr Dasein im Dunkeln; egal ob
im Keller, auf dem Dachboden oder in einem Safe. Wenn Frauen ihre Vorstellungen vom Stapel lassen... Ist
auch egal. Jedenfalls sollten Männer mit ihrer Lust nicht
kriminalisiert werden. Manchmal will man als Mann auch
nur verstanden werden, bzw. sich respektiert und ernst
genommen fühlen. Vorausgesetzt man nimmt sich als Mann
selbst ernst. Eine schwierige Aufgabe, sich selbst ernst
zu nehmen. Man müßte sich erst einmal finden. Aber wo suchen?
Was mich betrifft, so hatte ich mich mit meiner Lust jahrelang
versteckt. Mir fehlte jegliches Gefühl für mein ICH. ICH
war gar nicht in der Lage zu unterscheiden, was nun genau
meine Lust war, und was zu meiner gemacht wurde. Mehr als
eine Vorspeise, einen Hauptgang, und einer Nachspeise
stand eh selten auf der Karte; dabei ist es völlig unerheblich,
ob die Sättigungsbeilagen ab und an wechselten, oder auch
nicht. Und ich sollte dazu verdammt sein, mein Leben lang
diese Speisekarte ein paar hundert Mal rauf und wieder
herunter zu essen?! Das erzeugte in mir eine permanente
Unruhe, die regelmäßig in ausgewachsenen Panikattacken
gipfelte. Diese Panik, nur noch mit ein und derselben Frau
zu schlafen, nur noch mit ihr zu ficken – ficken zu müssen;
dieses MÜSSEN macht einen so richtig fertig. MÜSSEN bis
zum Rest meiner Tage, mit ihr... (...)
Max Escher