Gefühle darstellen
Diese kleine Skizze über meinen Großvater habe ich geschrieben, um Gefühle rüberzubringen, ohne sie explizit zu machen. Ich bin für jeden Hinweis dankbar .Gustav
Da sitzt er nun in seinem Lehnstuhl, dreht Däumchen und schaut verschmitzt vor sich hin.
Was mag er sich gerade ausdenken, welche „Läuschen“, wie man bei uns im Norden sagt, wird er uns gleich präsentieren? Einmal, da war ich fünf, da schickte er mich in der Abenddämmerung nach draußen, er habe in der Plage - so heißt die feuchte Wiese hinter dem Haus – Elefanten gesehen. Ich lief und sah nichts großes graues, aber drei Rehe, die wie auf dem alten Ölbild in der ofenlosen Dachkammer reglos in der Wiese standen und ästen.
Zum Frühstück kocht Opa Eier, eine ganze Schüssel voll, für jeden der Enkel mindestens drei. Ohne Sanduhr, ohne Kurzzeitwecker, ohne Mitkochindikator, einfach freihand, immer butterweich. Wenn wir die Eier ausgelöffelt haben – er legt Wert darauf, dass wir die Eier mit dem Messer köpfen - dann greift er sich ein leeres Ei, stülpt es mit der abgeschlagenen Seite in den Eierbecher, legt es mitsamt dem Behältnis um und - zack – schlägt er auch noch das andere Ende ab. So verschmitzt, wie er jetzt im Sessel lächelt, lächelt er dann und sagt verschwörerisch, als ob er das betroffene Huhn kennen würde: „Die Henne müssen wir schlachten!“ Dabei schlachtet Opa von seinen Legehennen nun wirklich nur die, die er schon eine längere Zeit dabei beobachten hat, dass sie nicht mehr auf dem Nest sitzen.
Einmal habe ich dabei zugeschaut, seitdem weiß ich, dass ich ein Huhn schlachten kann, den Kopf mit dem Beil abschlagen kann ja nun wirklich jeder. Schwierig ist es, das Huhn zu fangen, Opa war mit Krückstock schneller als ich mit zehn, aber Opa wusste auch, wie er ein Huhn in die Enge treibt. Ich war der Henne mit ausgebreiteten Armen quer über den Hühnerhof gefolgt und hatte außer Hühnerscheiße in den Ritzen des Profils meiner Gummistiefel nichts gefangen. Aber ich hatte die Henne müde gemacht, und Opa umzingelte sie in der Ecke und dann...
Oma hatte inzwischen Wasser gekocht, und stellte den Eimer auf den Tritt. Opa tunkte das tote Huhn kopfüber hinein, schwenkte es hin und her, und nach einer Zeit, die nur er auf seiner inneren Uhr wusste, zog er den triefenden Balg aus dem Wasser und begann ihn mit groben Pranken zu rupfen. Nasse Federn klatschten zu Boden, ein Fetzen Haut riss mit ab und in weniger Zeit als der „Abendgruß“ war die Henne nackt und bleich. Opa sengte sie noch schnell am Gasherd setzte sie dann mit Suppengrün und Lorbeerlaub und Pfefferkörnern und reichlich Salz im großen Kochtopf aufs Feuer für die Suppe am Sonntag.